Donnerstag, 26. Januar 2012

Angeblich Leben auf der Venus entdeckt

Der bekannte russische Wissenschaftler Leonid A. Ksanfomaliti erklärt in einem wissenschaftlichen Beitrag, auf Raumsonden-Aufnahmen der Venusoberfläche potenzielle Lebensformen identifiziert zu haben. Doch wie wäre so etwas vereinbar mit den extremen Bedingungen, die auf jener sonnennahen Welt herrschen?



















Es sind schon eigenartige Gebilde, von denen hier die Rede ist: ein regelmäßig geformtes »Etwas«, das vage einem Skorpion ähnelt, ein dunkler »Fetzen« und eine sich verändernde Scheibe. Sie sind auf Bildern der sowjetischen Venera-Raumsonden zu sehen, direkt aufgenommen auf der Oberfläche des Planeten Venus. Und das teilweise bereits vor rund 40 Jahren. Jetzt hat der russische Astronomieprofessor Dr. Leonid A. Ksanfomaliti die Bilddaten noch einmal analysiert und kommt zu dem spektakulären Schluss, hier seien damals möglicherweise tatsächlich fremde Lebensformen aufgenommen worden, weitgehend unbemerkt von Wissenschaft und Öffentlichkeit. Demnach wäre eine von Forschern weltweit lange und fieberhaft gesuchte Sensation, sogar die wissenschaftliche Sensation überhaupt, längst eingetreten: die Entdeckung außerirdischen Lebens, noch dazu auf einem Nachbarplaneten unserer Erde! Ksanfomaliti, der seine Untersuchung in der astronomischen Zeitschrift Astronomitscheski Westnik (Astronomisches Nachrichtenblatt) publiziert hat, stellt fest, dass die seltsamen Strukturen plötzlich auf den Bildfolgen auftauchen, um in der Folge wieder zu verschwinden. Sie haben sich bewegt und verändert, zeigen außerdem auch morphologische Ähnlichkeit mit weiter entwickelten, teils erstaunlich großen Organismen. Die Rede ist hier von mehreren Zentimetern bis zu rund einem halben Meter. Aber wie kann das alles sein, auf einem Planeten, dessen Oberfläche wesentlich heißer als jeder Backofen glüht? Auf einer von brachialem Atmosphärendruck und toxischen Gasen beherrschten Welt?


Zumindest über Venus-Mikroben wurde wiederholt spekuliert und sinniert, sogar noch in jüngerer Zeit, als Wissenschaftler wie Dirk Schulze-Makuch und Louis Irwin ernsthaft über Bakterien in der Venusatmosphäre nachdachten und dies auch heute noch als Option diskutieren, während das Gros ihrer Fachkollegen solchen Gedanken völlig ablehnend gegenübersteht. Selbst in Höhenlagen um die 50 bis 60 Kilometer, in denen die Temperaturen relativ »behaglich« für Mikroorganismen wären, dürfte es Probleme für eine Venus-Biologie geben, so Kritiker. Nicht zuletzt die solare UV-Strahlung, die mangels Ozonschicht in voller Härte auf Venus-Mikroben einwirkt, wäre absolut tödlich. Schulze-Makuch und sein Kollege weisen allerdings darauf hin, dass in der Lufthülle unserer inneren Schwesterwelt in großer Zahl aromatisch geformte Schwefelmoleküle gefunden wurden, Achterringe aus Schwefelatomen, die als Cyclooctaschwefel eine Schutzhülle um die Bakterien bilden und das schädliche UV-Licht von ihnen abhalten könnten.

Die Kontroverse wurde im relativ engen Kreis weitergeführt, ohne dass bisher endgültige Einigkeit über reale Chancen auf solche Venus-Mikroben erzielt werden konnte. Zumindest kann niemand das Gegenteil beweisen und mit Sicherheit sagen: Es gibt sie dort nicht, die kleinen Organismen. Doch bekanntlich stellt die Abwesenheit des Gegenbeweises noch keinen Beweis für die Richtigkeit einer Vermutung dar. Erst der direkte Nachweis kann hier wirklich entscheiden. Was aber ist mit jenen »Ksanfomaliti-Wesen«? Ihre reale Präsenz dürfte nach allem, was heute bekannt ist, noch weit unwahrscheinlicher sein als jede Spekulation zu mikrobiellem Atmosphärenleben auf der Venus. Professor Ksanfomaliti dürfte somit weiterhin ziemlich alleine mit seinem Konzept dastehen. Selbst die große wissenschaftliche Debatte wird wohl ausbleiben, so abstrus scheinen die Ideen. Dabei stammen sie von einem renommierten Fachmann, der am Russischen Institut für Weltraumforschung tätig ist und bereits seit Jahrzehnten einen Namen als Planetenwissenschaftler besitzt. Nur, was hat ihn dazu bewogen, lange vor dem 1. April solche Gedanken zu äußern?

Professor Ksanfomaliti bezieht sich zunächst auf die in den vergangenen Jahren drastisch gestiegene Zahl an Neuentdeckungen von Exoplaneten und nennt vor allem die aktuellen Erkenntnisse zu mittelgroßen Exoplaneten als auslösenden Faktor seiner jetzigen Analysen. Wie er sagt, wurden seit 1995 mehr als 500 extrasolare Planeten gefunden. Um die wahrscheinlichsten Kandidaten für bewohnte Planeten und »Erdenzwillinge« ausfindig zu machen, konzentriert sich die Suche zunehmend auf solche Welten, die möglichst ähnliche Bedingungen aufweisen dürften wie unsere Erde. Grundsätzlich ein völlig konsequentes und logisches Vorgehen: Man sucht in der habitablen, der jeweils bewohnbaren, Zone eines Sterns nach Planeten, die möglichst ähnliche Ausmaße wie unsere Erde besitzen sollen. Selbstverständlich sind nach aller Kenntnis die Bedingungen für Leben dort am geeignetsten. Ksanfomaliti meint allerdings, dass einige Lebensformen durchaus auch Eigenschaften entwickelt haben können, die sie zum Leben und Überleben in völlig anderen Umwelten befähigen. So könnten sie unter absolut exotischen Bedingungen ebenfalls entstanden sein und gedeihen. Für die enorme Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des irdischen Lebens sprechen zunehmend die verschiedenen Formen so genannter Extremophiler, die sich – wie schon der Name nahelegt – eben die extremsten ökologischen Nischen als Lebensräume auserkoren haben und dort bis heute erfolgreich vegetieren. Nicht umsonst sind diese teils erst in jüngster Zeit entdeckten Organismen zu einem zentralen Gegenstand der noch sehr jungen Astrobiologie geworden, um hier am lebenden Beispiel erstaunliche Musterexemplare für die biologische Situation auf anderen Welten studieren zu können. Darunter existieren unter anderem gegen Radioaktivität, Flugzeugtreibstoff oder eben auch sehr hohe Temperaturen resistente Formen. Doch auch solche irdischen »Spezial-Lebewesen« sind noch weit entfernt von dem, was ein Venus-Organismus ertragen müsste. Außerdem spricht der russische Professor keineswegs von Mikroben, sondern von makroskopisch ohne weiteres erkennbaren, höher entwickelten Lebensformen. Ksanfomaliti muss sich unweigerlich auf den Erfindungsreichtum der Natur beziehen, während wir dazu tendieren, die Dinge meist nur aus unserem Erfahrungsschatz zu beurteilen und eine zu irdische Sichtweise einzunehmen. Keine Frage, viele Alternativen hierzu bieten sich uns zwangsläufig nicht. Doch schon gegen Ende der 1970er Jahre versuchte Ksanfomaliti unbefangen und unbeeinflusst von Konventionen über den häufig nur eher träge expandierenden Tellerrand der Wissenschaft hinaus zu blicken. Der Forscher machte sich Gedanken darüber, wie das Leben unter anderem jene auf der Venusoberfläche herrschenden enorm hohen Temperaturen von knapp 500 Grad Celsius ausgetrickst haben könnte, um entstehen, sich entwickeln und auch überdauern zu können. Dabei weist er darauf hin, wie behände Wissenschaftler dabei sind, passende Erklärungen für noch kurz zuvor völlig unerwartete Naturphänomene aus dem Hut zu zaubern, sobald deren Existenz sicher nachgewiesen ist. Es ist der Moment, an dem das Unglaubliche akzeptiert werden muss und somit auch einer geeigneten Erklärung bedarf.

Zumindest die völlige Offenheit Ksanfomalitis sollte Anerkennung verdienen. In seinem Werk über die Planeten des Sonnensystems schreibt er 1978 mit Blick auf Venus-Leben: »Die Wissenschaftsgeschichte zeigt, dass die Theoretiker in der Regel rasch eine Erklärung finden, wenn eine neue experimentell gesicherte Tatsache vorliegt. Es lässt sich sogar vorhersagen, wie diese Erklärung aussehen würde: Auf der Venus hat einfach die Synthese hochtemperaturfester organischer Verbindungen stattgefunden, in denen die Energie der so genannten π-Elektronen-Bindungen genutzt wird. Polymere auf dieser Grundlage vermögen 1.000 Grad Celsius und mehr standzuhalten. Erstaunlich ist, dass auch einige Bakterien auf der Erde die π-Elektronen-Bindung in ihrem Metabolismus verwenden, freilich nicht zur Erhöhung der Temperaturbeständigkeit als vielmehr zur Bindung von Luftstickstoff (was unvermeidlich außerordentlich hohe Bindungsenergien erfordert). Wie wir sehen, hat die Natur sogar auf der Erde ›Rohlinge‹ für Modelle lebender Zellen auf der Venus bereit.«

Schon damals fielen ihm ungewöhnliche Strukturen auf dem Venusboden auf, gleich auf der ersten Aufnahme, die von der Raumsonde Venera 9 am 22. Oktober 1975 um sieben Uhr morgens Moskauer Zeit erfolgreich zur Erde gefunkt wurde. Auf der Panoramafotografie erschien ein symmetrisch geformter Gegenstand mit einem langen, geraden Fortsatz. Allerdings veränderte das seltsame Objekt minutenlang seine Lage nicht – und Ksanfomaliti erklärte es schließlich zu einem »ungewöhnlich geformten Stein von 25 bis 20 Zentimetern Länge, der an eine vulkanische Bombe erinnert.«

Angesichts der neuen planetaren Funde und der Fortschritte bei der Erforschung von Extremophilen  dürfte Professor Ksanfomaliti sich wieder seiner alten Beobachtung erinnert und die Raumsonden-Aufnahmen noch einmal gründlicher überprüft haben. Dabei fielen ihm vor allem jene eigenartigen Gebilde auf, wie sie in einer Aufnahmesequenz vom 1. März 1982 mit der Venera-13-Sonde festgehalten worden waren. Diese Gebilde veränderten ihre Position im Lauf der Bildfolge, sie zeigen organismenähnliche Symmetrien, und somit sollte laut Ksanfomaliti nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass es sich um authentische Lebensformen handelt, angepasst an die extremen Verhältnisse. Allerdings stellte er zur Venus schon im Jahr 1978 fest: »Nach allem, was wir über die Bedingungen an ihrer Oberfläche wissen, dürfte es schwerfallen, ernsthaft an die Existenz erdähnlicher Organismen zu glauben, denn sie wären binnen kurzem verkohlt. Natürlich könnte man annehmen, die Organismen hätten sich auf irgendeine Weise an die auf der Venus herrschenden Temperaturen angepasst … Aber 100 und 470 Grad Celsius sind Temperaturen, die viel zu weit auseinanderliegen. Die ›Festigkeit‹ eines organischen Moleküls ergibt sich aus der Energie der Bindungen im Molekül. Erreicht jedoch die Energie der temperaturbedingten Schwingungen im Molekül die Bindungsenergie, wird das Molekül zerstört. Bei der überwiegenden Mehrzahl aller organischen Stoffe geschieht dies bei viel niedrigeren Temperaturen als 470 Grad Celsius.«

In seinem aktuellen Beitrag im Astronomischen Nachrichtenblatt erklärt er nun: »Ohne auf die Erörterung derzeit bestehender Vorstellungen über die Unmöglichkeit des Lebens unter Bedingungen der Venus einzugehen, nehmen wir kühn an, dass morphologische Merkmale jedoch eine Vermutung ermöglichen, ein Teil von gefundenen Objekten verfüge über Beschaffenheiten der Lebewesen«.

Die augenblickliche Informations- und Faktenlage zu den suspekten Strukturen, wie Professor sanfomaliti sie auf den Venera-Aufnahmen sichtete, ist noch sehr spärlich. Die Bilddokumentation fehlt noch weitgehend. Auch kann die bisherige Argumentation kaum befriedigen. Sie steht derzeit eher auf schwachen Füßen, und kaum sehr viele Wissenschaftler werden weitere Anstrengungen in dieser Sache für gerechtfertigt halten. Trotzdem scheint doch der Ansatz Ksanfomalitis grundsätzlich in die richtige Richtung zu weisen. Denn sobald eine Option, sei sie auch noch so unwahrscheinlich, nur aus statistischen oder empirischen Interpretationen heraus als unsinnig oder undenkbar abgetan wird, bleibt jegliche Forschung hierzu auf der Strecke, womit der Aufklärung von vornherein jede weitere Chance genommen ist. Doch auch die Suche nach Radiosignalen fremder Intelligenzen im All wurde von der wissenschaftlichen Gemeinschaft zunächst als unsinnig erachtet, bis ein gangbares Konzept die eigentliche SETI-Forschung einläutete.

Auch im vorliegenden Fall oder zumindest in vergleichbaren Situationen könnte es der Forschung so ergehen. Die Funde irdischer Extremophiler stellen bereits einen vielversprechenden Anfang dar. Und die Astrobiologie darf wie gesagt als noch sehr junger Forschungszweig angesprochen werden, der manche Überraschungen für die Zukunft bereithalten könnte. Später mag die heute weithin als wissenschaftliche Fantasterei eines einzelnen Forschers eingestufte Haltung sogar als vorausschauend und wegweisend erkannt werden. Aber darüber kann nur die Zeit entscheiden. Bis dato jedenfalls fehlt leider jeder Beweis für Venusleben noch komplett.

Quelle:
www.kopp-verlag.de
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